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Osterbotschaft des Ökumenischen Patriarchen (2024)

Protokoll-Nr. 244

+ Bartholomaios,

durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom, und Ökumenischer Patriarch

allem Volk der Kirche Gnade, Friede und Erbarmen

von Christus, dem in Herrlichkeit auferstandenen Erlöser

* * *

Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, geliebte Kinder,

            durch das Wohlgefallen und die Gnade Gottes haben wir die Rennbahn der hl. Großen Fastenzeit durchlaufen und in Ergriffenheit die Woche der Leiden des Herrn begangen. Nun erfreuen wir uns der leuchtenden Feier Seiner Auferstehung, durch die wir von der Tyrannei des Todes befreit worden sind.

Die ruhmreiche Auferweckung Jesu Christi ist zugleich die Mitauferstehung des gesamten Menschengeschlechts und der Vorgeschmack der endzeitlichen Vollendung und der Erfüllung des göttlichen Heilswerks im Reich der Himmel. In der Kirche haben wir Anteil am unsagbaren Mysterium der Auferstehung, weil wir durch ihre heiligen Sakramente geheiligt werden und das Pas’cha, „das uns die Pforten des Paradieses geöffnet hat“, erfahren – nicht als Erinnerung an ein vergangenes Ereignis, sondern als Quintessenz des kirchlichen Lebens, als ständige Gegenwart Christi unter uns, eine Gegenwart, die uns näher ist als wir selbst es uns sind. Ostern entdecken die orthodoxen Gläubigen, dass ihr wahres Selbst in Christus ist. Ostern treten sie ein in den Strom, der alle Dinge zum Es’chaton, zum Weltende, bringt – und das in „unaussprechlicher und herrlicher Freude“ (1 Petrus 1,8), als „Söhne des Lichtes … und Söhne des Tages“ (1 Thess 5,5).

Zentrales Merkmal des orthodoxen Lebens ist sein österlicher Pulsschlag. Absurderweise bezeichnete ein Philosoph die orthodoxe Spiritualität als „finster“ und „herbstlich“. Treffend lobt dagegen der Westen das differenzierte Gespür der Orthodoxie für die Bedeutung und die existentielle Tiefe der Auferstehungserfahrung, allerdings ohne dass dieser Glaube vergäße, dass der Weg der Auferstehung über das Kreuz führt. Die orthodoxe Spiritualität kennt weder den Utopismus einer Auferstehung ohne das Kreuz, noch die Verzweiflung des Kreuzes ohne die Auferstehung. Aus diesem Grund hat in der orthodoxen Erfahrung das Böse in der Geschichte nicht das letzte Wort, während der Glaube an die Auferstehung den Antrieb für den Kampf gegen das Vorhandensein des Bösen in der Welt und dessen Folgen bildet. Der Glaube an die Auferstehung wirkt als starke Kraft der Umwandlung. Im orthodoxen Selbstverständnis gibt es keinen Raum für eine Kapitulation vor dem Bösen oder für Gleichgültigkeit gegenüber der Entwicklung der menschlichen Angelegenheiten. Vielmehr hat der Beitrag zum Wandel der Geschichte eine theologische Grundlage und eine existentielle Grundlage und entfaltet sich, ohne dass er Gefahr liefe, die Kirche mit der Welt zu identifizieren. Der orthodoxe Gläubige ist sich des Widerspruchs zwischen der innerweltlichen Realität und der eschatologischen Vollendung bewusst und kann angesichts einer Verneinungshaltung nicht passiv bleiben. Aus diesem Grund hat die orthodoxe Kirche den Kampf für die Umgestaltung der Welt niemals kleingeredet. Der Glaube an die Auferstehung Christi hat die Kirche vor Selbstbezogenheit und Isolation ebenso bewahrt wie vor Säkularisierung.

Im Pas’cha der orthodoxen Christen kulminieren das ganze Heilsmysterium und der existentielle Reichtum unseres Glaubens. Das „Außer-sich-Geraten“ der Frauen am Grab, als sie „in das Grab gingen und einen Jüngling erblickten …, der mit einem weißen Gewand bekleidet war“ (Mk 16,5), charakterisiert die Größe und das Wesen der Erfahrung des Glaubens als eine existentielle Erfahrung der Erschütterung.

Das „Außer-sich-Geraten“ zeigt an, dass der Mensch sich vor einem Mysterium befindet, dass sich umso mehr vertieft, je mehr er sich ihm naht – gemäß dem Wort, nach welchem der Glaube „kein Weg ist, der vom Mysterium zur Erkenntnis führte, sondern einer, der von der Erkenntnis zum Mysterium führt“.

Während das Leugnen des Mysteriums den Menschen existentiell schrumpfen lässt, öffnet ihm seine Annahme das Tor zum Himmel. Der Glaube an die Auferstehung ist der tiefste und höchste Ausdruck unserer Freiheit oder vielmehr ihr Ursprung als freier Annahme der höchsten Gabe Gottes: der Vergöttlichung aus Gnade. Die orthodoxe Kirche ist, als „erlebte Auferstehung“, der Raum der „wahrsten Freiheit“, die im christlichen Leben Fundament, Weg und Bestimmung ist. Die Auferstehung Christi ist das Evangelium der Freiheit, Gabe der Freiheit und Garantie der „gemeinsamen Freiheit“ in der „ewigen Erfahrung“ des Reiches des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Mit diesen Empfindungen, geehrte Brüder und geliebte Kinder, und erfüllt von dem aus dem abendlosen Licht ausströmenden Licht verherrlichen wir Christus, der von den Toten auferstanden ist und uns allen das Leben aus dem Grab hat aufgehen lassen; gedenken wir an diesem ganz und gar festlichen, „berühmten und heiligen Tag“ all unserer Brüder, die in Nöten sind und bitten wir den Herrn, der „den Tod durch den Tod zertreten hat“, den Gott des Friedens, der Welt den Frieden zu schenken und den Weg zu erleuchten, auf dem wir zu jedem guten, Ihm wohlgefälligen Werk schreiten, während wir den Freudenhymnus anstimmen: „Christus ist auferstanden!“

Phanar, Ostern 2024

+ Bartholomaios von Konstantinopel

Euer aller inständiger Fürbitter bei Christus, dem Auferstandenen