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Weihnachtsbotschaft des Ökumenischen Patriarchen (2023)

Protokollnummer: 828

 

Weihnachtsbotschaft des Ökumenischen Patriarchen

 

+  B A R T H O L O M A I O S
durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch
allem Volk der Kirche Gnade, Erbarmen und Friede
von Christus, unserem in Bethlehem geborenen Erlöser

 

In Gott geliebte Mitbrüder, im Herrn geliebte Kinder,

dank göttlichen Wohlgefallens feiern wir auch in diesem Jahr wieder „in Psalmen, Hymnen und geistlichen Liedern“ die Geburt des vorewigen Sohnes und Wortes Gottes, also die Offenbarung des Mysteriums Gottes und des Menschen. Der heilige Nikolaos Kabasilas sagt, die Handlungen der Göttlichen Liturgie seien „eine Mystagogie der Menschwerdung des Herrn“ und die Anfangsdoxologie „Gepriesen sei das Reich des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ bezeuge, „dass die Menschen erst durch die Menschwerdung des Herrn gelernt hätten, dass Gott in drei Personen existiere“ (Nikolaos Kabasilas, Über die Göttliche Liturgie). Dieser Kirchenvater verkündet, dass unser Herr und Erlöser Jesus Christus uns „als Erster und Einziger den nach seinen Sitten, nach seinem Leben und in jeder anderen Hinsicht wahren und vollkommenen Menschen“ gezeigt habe (Nikolaos Kabasilas, Vom Leben in Christus).

Die Annahme der menschlichen Natur in der Person des Sohnes und Wortes Gottes und die Eröffnung des Weges der Vergöttlichung aus Gnade verleihen dem Menschen eine unübertreffliche Würde. Das Vergessen dieser Wahrheit führt zu einer Minderung des Respektes vor der menschlichen Person. Die Leugnung der hohen Bestimmung des Menschen befreit ihn nicht nur nicht, sondern führt zu vielen Verkürzungen und Spaltungen. Ohne das Bewusstsein seiner göttlichen Herkunft und die Hoffnung auf die Ewigkeit gelingt es dem Menschen kaum, Mensch zu bleiben, und er ist nicht in der Lage, mit den Widersprüchen seines Menschseins umzugehen.

Das christliche Verständnis der menschlichen Existenz hält die Lösung für jene Probleme bereit, die von Gewalt, Krieg und Ungerechtigkeit in unserer Welt verursacht werden. Der Respekt vor der Person, der Friede und die Gerechtigkeit sind zwar eine Gabe Gottes, doch das Stiften des von Christus gespendeten Friedens erfordert die Teilnahme und die Mitwirkung der Menschen. Die christliche Position im Kampf für den Frieden ist durch die Worte Christi, des Erlösers, begründet, der uns das Evangelium des Friedens verkündet, mit dem Wort „Friede sei euch!“ grüßt und den Menschen gebietet, ihre Feinde zu lieben (vgl. Mt 5,44). Die in Christus geschehene Offenbarung wird als „Evangelium des Friedens“ (Eph 6,15) charakterisiert. Das bedeutet: Für uns Christen ist der Weg zum Frieden der Friede. Gewaltlosigkeit, Dialog, Liebe, Verzeihung und Versöhnung haben Vorrang vor anderen Formen der Lösung von Differenzen. Deutlich umreißt der Text des Ökumenischen Patriarchates „Für das Leben der Welt. Auf dem Weg zu einem Sozialethos der Orthodoxen Kirche – 2020“ diese Theologie des Friedens: „Nichts widerspricht mehr dem Willen Gottes für die Geschöpfe, die nach seinem Bild und Gleichnis geformt sind, als Gewalt gegeneinander… Letzten Endes können wir mit Recht sagen, dass Gewalt Sünde par excellence ist. Sie ist der vollkommene Widerspruch zwischen unserer geschaffenen Natur und unserer übernatürlichen Berufung, in Liebe die Vereinigung mit Gott und unserem Nächsten zu suchen… Frieden ist <…> eine wirkliche Offenbarung der noch tieferen Wirklichkeit der Schöpfung, wie Gott sie beabsichtigt und wie Gott sie in seinen ewigen Ratschlüssen gestaltet hat.“ (§ 42,43 und 44)

Der Friede ist nicht vorgegeben und selbstverständlich, sondern Aufgabe, Leistung, andauernde Bemühung und unablässiger Kampf, ihn zu bewahren. Es gibt keine Automatismen und keine bleibenden Rezepte. Gegenüber den jeweiligen Bedrohungen des Friedens sind Wachsamkeit und der Wille zu einer Lösung der Probleme durch Dialog erforderlich. Die großen Helden der Politik sind die Kämpfer für den Frieden. Wir betonen weiterhin die friedensstiftende Rolle der Religionen in einer Zeit, in der Religionen dafür kritisiert werden, dass sie, anstatt Kräfte des Friedens, der Solidarität und der Versöhnung zu sein, den Fanatismus und die Gewalt „im Namen Gottes“ nähren. Dabei handelt es sich um eine Entfremdung des religiösen Glaubens und nicht um ein ihm eigenes Phänomen. Der wahre Glaube an Gott ist der schärfste Gegner des religiösen Fanatismus. Die Religionen sind die natürlichen Bundesgenossen aller Menschen, die für den Frieden, die Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung vor einer menschengemachten Katastrophe kämpfen.

Die Menschheit ehrt in diesem Jahr den 75. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (10. Dezember 1948), die eine Zusammenstellung der grundlegenden humanistischen Vorstellungen und Werte ist – „das gemeinsame Ideal, das alle Völker und Nationen erstreben sollen“. Die Menschenrechte, deren Ausgangspunkt der Schutz der Menschenwürde und ihre individuellen, gesellschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen sind, werden als deren ursprüngliche Dynamik verstanden, sofern sie als Fundament und Maßstab des weltumfassenden Friedens, den sie mit der Freiheit und der Gerechtigkeit verbinden, anerkannt werden.

In diesem Sinn ist die Zukunft der Menschenrechte und des Friedens mit dem Beitrag der Religionen zu ihrer Respektierung und Durchsetzung verbunden.

Mit diesen Gedanken und festlichen Empfindungen und in der absoluten Gewissheit, dass das Leben der Kirche von vorneherein im Gegensatz zur Unmenschlichkeit, woher sie auch rührt, steht, rufen wir Euch alle zu dem guten Kampf für die Errichtung einer Kultur des Friedens und der Versöhnung auf, wo der Mensch im Mitmenschen den Bruder und Freund und nicht den Gegner und Feind sieht; wir erinnern Euch alle, Brüder und Kinder, daran, dass Weinachten der Augenblick der Selbsterkenntnis und Dankbarkeit, der Offenbarung des Unterschiedes zwischen Gottmensch und „Menschgott“, der Bewusstwerdung des großen Wunders der Freiheit in Christus und der Heilung der „großen Wunde“ der Entfremdung von Gott ist; wir beugen dankbar das Knie vor der Gottesmutter Maria, die das Fleisch gewordene Wort in ihren Armen hält; wir erteilen Euch den Segen der Mutterkirche, der Heiligen Großen Kirche Christi, und wünschen Euch ein glückliches, gesundes, fruchtbares, friedliches und von Freude erfülltes neues Jahr der Güte des Herrn. 

Weihnachten 2023

+ Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel,

Euer aller inständiger Fürbitter bei Gott